Wenn die Schaltzentrale der Hormone aus dem Gleichgewicht gerät – mit Dr. Milan Stanojevic

Hypophysentumore – kleine Veränderungen mit großer Wirkung

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Dr. Milan Stanojevic, Facharzt für Neurochirurgie in Wien und Baden

Sie ist kaum größer als eine Erbse, sitzt tief im Gehirn und steuert doch beinahe alle hormonellen Abläufe im Körper: die Hypophyse, auch Hirnanhangsdrüse genannt. Gerät sie aus dem Gleichgewicht, kann das erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Organismus haben. Über Erkrankungen dieser zentralen Hormondrüse, insbesondere über Hypophysentumore, haben wir mit Dr. Milan Stanojevic, Facharzt für Neurochirurgie in Wien und Baden, gesprochen.

Gutartig – doch beschwerlich

„Tumore an der Hypophyse, sogenannte Hypophysenadenome, sind relativ häufig, meist aber gutartig“, erklärt Dr. Stanojevic. Dennoch können sie Beschwerden verursachen, wenn sie die Hormonproduktion stören oder auf benachbarte Strukturen wie den Sehnerv drücken. In solchen Fällen kommt es nicht selten zu Sehstörungen, Doppelbildern oder Kopfschmerzen.

Viele Hypophysentumore sind gut behandelbar – entscheidend ist die frühe Diagnose und die enge Zusammenarbeit von Neurochirurgie, Endokrinologie und Radiologie.

Dr. Milan Stanojevic

Hormonaktive Tumoren

Ein Teil dieser Tumore ist hormonaktiv, das heißt, er produziert selbst Hormone. Besonders häufig ist das Prolaktinom, das das Hormon Prolaktin ausschüttet – normalerweise zuständig für die Milchbildung nach der Geburt. Gerät die Produktion aus der Balance, kann das bei Frauen zu Milchabsonderungen aus der Brust, Brustvergrößerungen und Zyklusstörungen bis hin zur Unfruchtbarkeit führen. Männer klagen häufig über Libidoverlust und Potenzstörungen, weil Prolaktin die Testosteronbildung hemmt, sagt Dr. Milan Stanojevic.

Wenn das Wachstumshormon verrücktspielt

Ebenfalls verbreitet sind Wachstumshormon-produzierende Adenome, die eine langsame, aber auffällige Veränderung des Erscheinungsbildes bewirken. Hände, Füße und Gesichtszüge werden gröber, die Zunge kann anschwellen und das Sprechen erschweren. „Oft kommen schwer einstellbarer Bluthochdruck oder Diabetes hinzu“, so Dr. Stanojevic.

Dr. Milan Stanojevic

Das Zuviel an Stresshormon

Seltener, aber besonders komplex ist der Morbus Cushing. Dabei produziert das Adenom das Hormon ACTH, das die Kortisolausschüttung in der Nebenniere anregt. Ein Zuviel an Kortisol führt zu typischen körperlichen Veränderungen: Der Rumpf nimmt an Gewicht zu, während Arme und Beine dünn bleiben. Betroffene leiden häufig unter Muskelschwäche, Bluthochdruck, Diabetes und einer erhöhten Neigung zu blauen Flecken. Frauen entwickeln mitunter eine verstärkte Körperbehaarung. „Die Diagnose ist schwierig und gehört in erfahrene Hände“, betont Dr. Milan Stanojevic.

Still, aber nicht harmlos

Doch auch hormoninaktive Tumore oder Zysten können Beschwerden verursachen, wenn sie groß genug werden. Dann beeinträchtigen sie die Hormonproduktion der Hypophyse, was zu Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Zyklusstörungen oder gefährlichen Hormonmangelzuständen führen kann.

Interdisziplinär zum Therapieerfolg

Die gute Nachricht: Die meisten Hypophysentumore sind gutartig und behandelbar. Oft reicht eine regelmäßige Kontrolle, in manchen Fällen ist eine medikamentöse oder operative Therapie notwendig. Entscheidend sei laut Dr. Milan Stanojevic ein interdisziplinärer Ansatz: „Nur wenn Neurochirurgie, Endokrinologie und Radiologie eng zusammenarbeiten, lässt sich die Zeit zwischen den ersten Symptomen und der endgültigen Therapie verkürzen – und Folgeschäden können vermieden werden.“

Warnsignale ernst nehmen

Wer über längere Zeit ungewöhnliche körperliche Veränderungen, unerklärliche Müdigkeit oder Sehstörungen bemerkt, sollte ärztlichen Rat suchen. Denn auch wenn die Hypophyse winzig ist – gerät sie aus dem Gleichgewicht, kann sie das gesamte Hormonsystem durcheinanderbringen.

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