OA Dr. Andreas Franczak über Leistenbruch und moderne Therapie

Erstdiagnose bis zur sicheren OP – warum frühzeitige Abklärung so wichtig ist

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OA Dr. med. Andreas Franczak, FEBS - Facharzt für Chirurgie, Gefäßchirurgie und Visceralchirurgie

Der Leistenbruch gehört zu den häufigsten chirurgischen Diagnosen – und dennoch gibt es viel Unwissenheit über Ursachen, Symptome und Therapie. OA Dr. Andreas Franczak, Facharzt für Chirurgie, Gefäß- und Viszeralchirurgie in Wien, erklärt im Gespräch, worauf Patientinnen und Patienten achten sollten – und wann eine Operation wirklich notwendig ist.

Was ist ein Leistenbruch – und wer ist betroffen?

Ein Leistenbruch entsteht seltener durch eine falsche Bewegung, als viele vermuten“, so Dr. Franczak. Tatsächlich handelt es sich in den meisten Fällen um eine Bindegewebsschwäche, die durch einen erhöhten Druck im Bauchraum – etwa beim Tragen schwerer Lasten, beim Sport oder durch chronische Verstopfung – zum Vorschein kommt. Bei Kindern liegt häufig eine angeborene Ursache vor, bei Erwachsenen sind es vor allem altersbedingte Veränderungen. Besonders bei älteren Patient:innen mit neu aufgetretenem Bruch empfiehlt Dr. Andreas Franczak zusätzlich eine Dickdarmspiegelung, um eine mögliche Tumorerkrankung auszuschließen.

„Viele glauben, ein Leistenbruch entsteht durch falsche Bewegung oder plötzliche Belastung.“

OA Dr. Andreas Franczak

Typische Beschwerden

Ein ziehender Schmerz, Druckgefühl oder eine tastbare Vorwölbung in der Leiste – das sind typische Symptome, mit denen Patient:innen in die Ordination kommen. Doch nicht immer ist der Bruch auf den ersten Blick sichtbar. Bei unklarer Lage helfen Ultraschall oder ein dynamisches CT. „Ein Bruch, der nicht tastbar ist, kann trotzdem vorhanden sein – und umgekehrt“, betont der Facharzt. Wichtig sei, nicht vorschnell zu operieren, sondern mit einer exakten Diagnostik zu arbeiten.

Leistenbruch oder Schenkelbruch?

Während der Leistenbruch oberhalb des Leistenbandes auftritt, entsteht der Schenkelbruch darunter – meist bei Frauen. Er verläuft neben wichtigen Gefäßen und Nerven und ist oft schwerer zu erkennen. „Gerade Schenkelbrüche bergen ein höheres Risiko für Komplikationen und sollten frühzeitig behandelt werden“, sagt der Experte.

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Wann eine Operation nötig ist – und wann nicht

Nicht jeder Leistenbruch muss sofort operiert werden. „Wenn jemand keine Beschwerden hat, kann auch abgewartet werden“, erklärt Dr. Andreas Franczak. Aber Schmerzen, Ziehen oder ein Druckgefühl in der Leiste sind ernstzunehmende Warnzeichen und sprechen meist für eine Operation. Kommt es nämlich zu einer Einklemmung von Darmanteilen, kann das im schlimmsten Fall zu einem lebensbedrohlichen Darmverschluss führen – insbesondere dann, wenn eine rasche medizinische Versorgung nicht gewährleistet ist, etwa bei Fernreisen.

Moderne Methoden

Heute sind minimalinvasive Techniken Standard. Dr. Franczak bevorzugt die sogenannte TEP-Methode, bei der das Netz außerhalb des Bauchfells platziert wird – mit geringem Risiko für Verwachsungen, schnellerer Heilung und weniger Schmerzen. Auch die TAP-Technik, bei der durch die Bauchhöhle operiert wird, kommt zum Einsatz. Welche Methode gewählt wird, hängt von individuellen Faktoren ab. „Die TEP-Methode wird in Österreich nur von wenigen Chirurgen routiniert durchgeführt – umso wichtiger ist die Erfahrung“, so Dr. Andreas Franczak.

Wie lange dauert die Genesung?

Nach einer offenen Operation sollte man sich mindestens fünf Wochen schonen. Nach einer laparoskopischen OP sind viele Patient:innen bereits nach zwei Wochen wieder arbeitsfähig – leichte körperliche Aktivitäten wie Spazierengehen oder Radfahren sind erlaubt. Sportliche Belastung und schweres Heben sollten aber erst später erfolgen. „Die Empfehlung hängt immer von Beruf, Fitness und Bruchgröße ab – die Therapie muss individuell angepasst werden.“

Rückfälle – wie hoch ist das Risiko?

Ein Leistenbruch heilt nicht von selbst. Auch wenn keine Beschwerden bestehen, bleibt das Risiko einer Einklemmung. Der Facharzt empfiehlt in solchen Fällen ein spezielles Leistenband zur Entlastung. 

Und trotz Operation kann es in seltenen Fällen zu einem Rückfall kommen. Ursache ist oft die Schrumpfung des eingesetzten Netzes – je nach Technik und Material. In einer internationalen Studie, an der Dr. Franczak seit über 13 Jahren teilnimmt, liegt seine persönliche Rückfallrate bei nur 0,4 Prozent.

Ein letzter Rat vom Experten

„Ein plötzlich auftretender Leistenbruch bei Menschen über 50 kann das erste Anzeichen eines Tumors im Dickdarm sein – deshalb empfehle ich bei unklaren Beschwerden eine Koloskopie vor der Operation“, sagt Dr. Andreas Franczak.

Sein Fazit:

Bei Beschwerden in der Leistengegend ist eine zeitnahe ärztliche Abklärung sinnvoll, um mögliche Risiken auszuschließen. Auch wenn keine akuten Symptome bestehen, sollte bedacht werden, dass ein Leistenbruch nicht von selbst verheilt – eine Operation kann daher auch ohne Beschwerden sinnvoll sein, etwa bei körperlicher Belastung oder Unsicherheit.

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