Protein gilt als unverzichtbarer Baustein für den Muskelaufbau. Viele Athlet:innen achten daher penibel darauf, wann sie ihr Protein rund ums Training einnehmen. Die Idee: Wer den Shake direkt vor oder nach der Einheit trinkt, soll die Muskelerholung fördern und den Aufbau maximal unterstützen – das sogenannte „anabole Fenster“.
Doch ist dieses „Window of Opportunity“ wirklich entscheidend oder nur ein hartnäckiger Fitness-Mythos? Genau das untersuchte die bekannte Meta-Analyse von Schoenfeld et al. (2013) – und ihre Ergebnisse sind bis heute wegweisend.
Was wurde untersucht?
Die Forscher:innen werteten 23 hochwertige Studien mit insgesamt über 500 Teilnehmenden aus, die alle mindestens sechs Wochen Krafttraining absolvierten.
Verglichen wurde:
- Proteinaufnahme ≤1 Stunde vor/nach dem Training vs.
- Proteinaufnahme ≤1 Stunde vor/nach dem Training vs.
Nur Studien, die objektiv Veränderungen in Muskelmasse oder Kraft maßen, wurden berücksichtigt. So wollten die Forschenden klären, ob das Timing tatsächlich zu messbar besseren Ergebnissen führt.
Die Ergebnisse im Überblick
Kraftentwicklung: Kein signifikanter Unterschied. Egal ob Protein direkt vor oder nach dem Training konsumiert wurde – beide Gruppen verbesserten ihre Kraft ähnlich stark.
Muskelwachstum: Auch hier kein klarer Vorteil. Sobald man die tägliche Gesamtproteinaufnahme berücksichtigte, verschwand jeder vermeintliche Timing-Effekt.
Der entscheidende Faktor: Nicht das „Wann“, sondern das „Wie viel“.
Teilnehmende mit höherer täglicher Proteinzufuhr erzielten größere Zuwächse an Muskelmasse – unabhängig davon, wann sie ihr Protein konsumierten.
Eine aktuelle Metaanalyse von Casuso & Goossens (2025) bestätigt diesen Befund: Das Timing spielt eine untergeordnete Rolle, solange die tägliche Eiweißzufuhr stimmt.
Was bedeutet das für die Praxis?

- Keine Panik um das anabole Fenster: Das oft zitierte 60-Minuten-Fenster nach dem Training ist kein Muss.
- Gesamtprotein zählt: Wichtiger ist eine ausreichende tägliche Eiweißzufuhr – etwa 1,6–2,2 g Protein pro kg Körpergewicht bei regelmäßigem Krafttraining.
- Flexibilität beim Essen: Ob Shake, Mahlzeit oder Snack – Hauptsache regelmäßig Protein über den Tag verteilt.
- Für Fortgeschrittene interessant: Die meisten Studien untersuchten untrainierte Personen. Ob erfahrene Athlet:innen vom Timing mehr profitieren, bleibt noch offen.
Fazit
Das „anabole Fenster“ ist kleiner als gedacht – vielleicht sogar irrelevant.
Wer über den Tag hinweg genug hochwertiges Protein zu sich nimmt, unterstützt Muskelaufbau und Regeneration optimal. Timing kann, muss aber nicht perfekt sein.
Kurz gesagt:
👉 Menge schlägt Moment.

